Präventionskonzept

Als politischer Kinder- und Jugendverband, der sich für die Rechte und die Selbst- und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen einsetzt, sehen wir als Sozialistische Jugend – Die Falken eine besondere Verpflichtung in der Prävention von und Intervention bei Kindeswohlgefährdungen, insbesondere von sexualisierter/sexueller Gewalt. Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es u.a., Kinder und Jugendliche davor zu bewahren, dass sie in ihrer Entwicklung durch den Missbrauch elterlicher Rechte oder eine Vernachlässigung Schaden erleiden (vgl. § 1 Abs. 2 SGB VIII, sog. „Wächteramt“).

Kinder und Jugendliche sind auch diesbezüglich vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen (§

1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII).

§ 8a SGB VIII konkretisiert diesen allgemeinen staatlichen Schutzauftrag als Aufgabe der Jugendämter, regelt die Beteiligung der freien Träger an dieser Aufgabe und beschreibt Verantwortlichkeiten der beteiligten Fachkräfte der Jugendhilfe.

Mit unserem nun überarbeiteten Konzept zur Prävention von und Intervention bei Kindeswohlgefährdung und sexualisierter/sexueller Gewalt wollen wir sowohl dem öffentlichen Auftrag als auch unseren eigenen politischen und pädagogischen Ansprüchen gerecht werden.

Aspekte:

•Festlegung von Abläufen beim Verdacht von sexualisierter/sexueller Gewalt und Kindeswohlgefährdung

• Infomaterial

• Konzepte für Gruppen

• Konzepte für Wochenendseminare

• Konzepte für offene Angebote

• Fortbildung und Sensibilisierung

• Führungszeugnisse: welche Tätigkeiten im Verband erfordern ein

Führungszeugnis?

• Dokumentation: Dokumentationsbögen für Verdachtsfälle

• sexualisierte / sexuelle Gewalt: unter Kindern, von Helfer*Innen gegenüber Kindern, im Helfer*innenteam

• Begleitung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen nach Fällen von Kindeswohlgefährdung und sexualisierter/sexueller Gewalt

• Umgang mit Täter*innen

• Wie arbeitet das Jugendamt und womit müssen wir von der Seite rechnen?

A. Prävention in der Struktur

Unser Verhaltenskodex, unsere Handlungsstrategien und die Prävention sexualisierter/sexueller Gewalt werden durch den Vorstand und das Hauptamt abgestimmt. Die Koordinierung liegt beim Präventionsteam des Verbands und dem Hauptamt.

Selbstverständnis „Nein heißt Nein!“

Die Falken setzen sich gegen Sexismus ein. Als Sexismus wird die auf das Geschlecht bezogene Diskriminierung bezeichnet. Unter dem Begriff werden Geschlechterstereotype, Affekte und Verhaltensweisen gefasst, die einen ungleichen sozialen Status von Geschlechtern zur Folge haben oder darauf hinwirken. Sexualisierte/Sexuelle Gewalt ist Machtmissbrauch. Sexismus ist Machtausübung.

Sexualisierte/sexuelle Gewalt beschreibt eine sexuelle Handlung, die gegen den Willen einer Person an ihr ausgeführt wird – also jede Handlung, durch die ihre psychische oder körperliche Unversehrtheit verletzt wird. Gewalt beginnt, sobald die persönliche Grenze überschritten wird, häufig um die andere Person zu kontrollieren oder Macht auszuüben. 

Ab wann eine Grenze überschritten wird, entspricht nicht nur dem, was gesamtgesellschaftlich als Grenzüberschreitung gewertet wird. Grenzverletzungen sind stattdessen häufig subtiler und auch deshalb schwerer zu benennen, weil es an einem Diskurs über unterschiedliche Formen der Grenzüberschreitung fehlt. Davon abgesehen sind unsere Lebenswege manchmal sehr individuell und wir erleben manche Situationen, auch Grenzverletzungen dementsprechend unterschiedlich. Deshalb können andere letztlich nicht beurteilen, wie wir uns mit bestimmten Dingen fühlen. Das psychische Leid, welches durch die Verletzung zugefügt wird, kann daher nicht objektiv bewertet oder gemessen werden. Hierbei sollten verschiedene Formen der Gewalt nicht gleichgesetzt oder banalisiert werden.

Sexualisierte/Sexuelle Gewalt ist für uns jedes sexuell belegtes Verhalten, das nicht erwünscht ist und als respektlos und verletzend empfunden wird. Zum Beispiel:

• anzügliche Witze

• die unerwünschte Darstellung von Menschen als Lustobjekte

• taxierende Blicke

• unerwünschte Berührungen

• abfällige/sexistische Bemerkungen über Aussehen, Verhalten und Privatleben

• unerwünschte Aufforderungen und Annäherungsversuche, die mit Versprechen von

Vorteilen oder Androhung von Nachteilen einhergehen

• strafrechtlich relevante Tatbestände wie Stalking, sexuelle Nötigung,

Vergewaltigung.

Was als sexualisierte/sexuelle Gewalt gilt, soll von den Betroffenen definiert werden. Es geht darum, statt objektiver Kriterien das subjektive Erleben in den Mittelpunkt zu rücken. Das was als sexualisierte/sexuelle Gewalt empfunden wird, ist somit auch sexualisierte / sexuelle Gewalt. Dies soll zum einen verhindern, dass Frauen*, Männer*, Kinder und Jugendliche unter Rechtfertigungsdruck geraten, wenn sie von sexualisierter/sexueller Gewalt ihnen gegenüber berichten. Zum anderen kommen damit auch Formen sexualisierter/sexueller Gewalt in den Blick, die nicht durch das Recht definiert sind.

Der Kampf gegen sexualisierte/sexuelle Gewalt ist politisches Ziel.

Übergriffe finden meistens im nahen Umfeld, wie Familie, Schule oder Jugendgruppe statt, der häufigste Täter ist der Beziehungspartner. Betroffen sind vorwiegend Frauen sowie trans-, inter- oder homosexuelle Menschen, aber auch Kinder. Sexualisierte/sexuelle Gewalt ist Bestandteil und Resultat patriarchaler Herrschaftsstrukturen der Gesellschaft und ihre Bekämpfung daher nicht nur ein pädagogisches, sondern auch politisches Ziel ist. Als Sozialistische Jugend ist die Bekämpfung und Überwindung patriarchaler Macht- und Herrschaftsstrukturen zentrales Ziel unserer politischen Arbeit und damit der Kampf gegen sexualisierte / sexuelle Gewalt politisches Ziel.

Das Präventionsteam des Kreisverbands

Als anerkannter Freier Träger der Kinder- und Jugendarbeit verpflichten wir uns dazu, bestimmte Abläufe bei Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdung einzuhalten. Dazu gehört u.a. eine erste Gefährdungseinschätzung, eine ausführliche Dokumentation und die Kontaktaufnahme zu und Arbeit mit insofern erfahrenen Fachkräften. Kinder und Jugendliche, die in unserem Verband aktiv sind, sollen wissen, dass wir ihre Probleme, Ängste und Anliegen ernst nehmen und sie dabei unterstützen, sich gegen sexualisierte/sexuelle Gewalt und Kindeswohlgefährdung zu wehren.

Sie sollen bei uns immer eine*n Ansprechpartner*in finden. Die Abläufe werden im KV Bremerhaven durch das eigens geschulte Vertrauensteam gesichert. Sie sind die Ansprechpartner*innen für alle Gruppenhelfer*innen im Kreisverband bei Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdung. Sie können aber auch von Kindern, Jugendlichen und Eltern direkt kontaktiert werden, etwa wenn es um sexualisierte/sexuelle Gewalt von Helfenden geht.

Ziel des Teams ist es, erstens, eine zentrale Kontaktstelle im Verband bei Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdung zu etablieren, zweitens, die Fortbildung und Sensibilisierung von Gruppenhelfer*Innen zu koordinieren, drittens, Gruppenhelfer*Innen beim emotional belastenden Umgang mit sexualisierter/sexueller Gewalt und Kindeswohlgefährdung zu unterstützen und zu entlasten und viertens einen für einen ehrenamtlich getragenen Verband professionellen und organisierten Umgang beim Verdacht von sexueller Gewalt und anderen Formen von Kindeswohlgefährdung sicherzustellen.

Darüber hinaus wollen wir betroffene Kinder und Jugendliche ermutigen, sich uns anzuvertrauen und ihnen jede Unterstützung zukommen lassen, die wir leisten können und sollen, auch über die gesetzlich geforderten Maßnahmen hinaus. Das Vertrauensteam begleitet und unterstützt Kinder, Jugendliche und Helfer*innen bei Fällen von sexualisierter/sexueller Gewalt und Kindeswohlgefährdung.

Außerdem wollen wir die Präventionsarbeit im Bezirk zentral koordinieren. Das Präventionsteam stößt in Abstimmung mit dem Vorstand und den Ehrenamtlichen des Bezirks die Entwicklung von  Konzepten, Fortbildungen und Materialzusammenstellungen an. Das Präventionsteam besteht aus 2 bis max. 4 volljährigen Personen und soll gemischtgeschlechtlich besetzt sein. Das Team wird vom Vorstand als Präventionsbeauftragte benannt.

Das Präventionsteam ist im KV zusammen mit Informationen zu ihrer Arbeit und Kontaktmöglichkeiten bekannt zu machen. Dies erfolgt über Informationsflyer und -plakate mit Aufgabenbeschreibungen und Kontaktmöglichkeiten und persönliche Vorstellung des Teams in bei den Helfer*innen und allen F-, RF- und SJ-Gruppen. Das Team soll alle Gruppen des Bezirks mindestens einmal im Jahr mit einem eigenständigen Gruppenprogramm besuchen und einen Eindruck der Arbeit bekommen. Darüber hinaus soll so sichergestellt sein, dass die Kontaktpersonen des Bezirks allen Teilnehmer*Innen , Eltern

und Ehrenamtlichen bekannt sind.

Das Präventionsteam arbeitet regelmäßig zu den Themen sexualisierte/sexuelle und häusliche Gewalt und Kindeswohlgefährdung und bildet sich regelmäßig fort, z.B. durch Teilnahme an Schulungen des Bundesverbands. 

Das Präventionsteams legt alle zwei Jahre ein Führungszeugnis beim Hauptamt und/oder Vorstand vor. 

Aufgaben des Präventionsteams sind:

• Ansprechpersonen für alle Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung und

sexualisierter/sexueller Gewalt im Bezirksverband

• Gefährdungseinschätzungen zusammen mit Gruppenhelfer*innen und weitere

Zusammenarbeit

• Kontaktaufnahme zu den externen Fachkräften

• Koordinierung und Kommunikation mit allen eingeschalteten Institutionen

• Kommunikation mit Presse, etc.

• regelmäßiger Austausch mit Fachkräften und Beratungseinrichtungen

• Anstoßen, dass innerverbandlicher Konzepte (weiter)entwickelt werden

• Einsichtnahme der Führungszeugnisse, wenn neue Helfer*innen dazu kommen, regelmäßig alle zwei Jahre auch bei bestehenden Helfer*innen in Zusammenarbeit mit dem Hauptamt

• Besuch der F-, RF- und SJ-Gruppen im Bezirk (1x im Jahr)

• vertrauliche Dokumentation von Verdachtsfällen

• Ausschluss von Mitgliedern aus dem Verband bei erhärteten oder erwiesenen

Verdachtsfällen zusammen mit dem Vorstand

• Das Präventionsteam macht eine Gefährdungseinschätzung vor Aktionen und Veranstaltungen des Verbands und kann geeignete Maßnahmen treffen

Präventionsteams auf größeren Maßnahmen

Auf allen unseren größeren Maßnahmen, wie unserem Kinder- und Jugendzeltlager richten wir für die Dauer der Maßnahme eigene Vertrauensteams ein. Diese bestehen aus mindestens zwei volljähringen Personen und sollen gemischtgeschlechtlich besetzt sein. Diese Teams werden durch das Vertrauensteam des Bezirks geschult und auf die Aufgaben vorbereitet. Ihnen werden entsprechende Materialien und Kontakte zur Verfügung gestellt.

Für die ganze Dauer der Maßnahme übernimmt dieses Team die Funktionen der Ansprechpersonen für Verdachtsfälle, sowohl für Gruppenhelfer*innen als auch für Kinder und Jugendliche, nimmt mit Gruppenhelfer*innen Gefährdungseinschätzungen vor, kontaktiert gegebenenfalls eine insoweit erfahrene Fachkraft, macht gegebenenfalls Meldung gegenüber dem Jugendamt, der Polizei oder dem Familiengericht und dokumentiert alle während der Maßnahme unternommenen Schritte. Das Vertrauensteam des Kreisverbands kann während der Maßnahme kontaktiert werden.

Das Präventionsteam übernimmt und koordiniert die Unterstützungsarbeit von Betroffenen und trifft Maßnahmen zu deren Schutz, die auch den Ausschluss von Personen von der Maßnahme beinhalten können.

Diese Präventionsteams sind dezidiert keine Awarenessteams, die auf das Wohlbefinden aller Teilnehmenden achten. Sie konzentrieren sich auf Fälle von Kindeswohlgefährdung und sexualisierter/sexueller Gewalt. Die Sorge für das gemeinsame Wohlbefinden aller Teilnehmer*innen erachten wir als politische Aufgabe, die vom gesamten Team und von allen Teilnehmenden übernommen werden muss und nicht einfach delegiert werden kann. Für einen fachlichen Umgang mit Kindeswohlgefährdung und sexualisierter/sexueller Gewalt ist aber ein entsprechendes Fachteam sinnvoll.

Prävention in der Gruppenarbeit

Die selbstorganisierte Gruppenarbeit ist das klassische Feld der kontinuierlichen pädagogischen Arbeit bei den Falken. Ob es die regelmäßige angeleitete Kindergruppe, die Zeltgruppe im Zeltlager, die selbstorganisierte Jugendgruppe oder das Gruppenhelfer*innenteam ist. Falken organisieren sich intern in Gruppen, und das mit gutem Grund.

Die überschaubare Größe dieser Gruppen – meist 8-12 Kinder – ermöglicht die direkte Interaktion und das Verständnis ablaufender sozialer Prozesse. Hier ist Raum für Selbstorganisation, ausprobieren, lernen und die produktive Bearbeitung von Konflikten, hier können Formen eines besseren Zusammenlebens antizipiert werden. In der Gruppe können Kinder, Jugendliche und Erwachsene Rückhalt und Solidarität erfahren. Durch die Zusammenarbeit in der Gruppe, gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse entsteht ein kollektives Selbstbewusstsein, dass Voraussetzung dafür ist, in und gegen diese Gesellschaft aktiv zu werden. Die Gruppe ist also auch ein Zusammenschluss gegen die Zumutungen der kapitalistischen Realität. Durch die eigene Organisierung können wir eine eigene Welt auf Zeit schaffen, in der andere Regeln gelten. Die Gruppe ist ein Ort gemeinsamer sozialer und politischer Organisierung. In solchen Gruppen ist es möglich, „Gegenwelterfahrungen“ zu machen und zu organisieren, also Erfahrungen von gelingender Kollektivität, Solidarität, gefahrlosem Anderssein und Veränderbarkeit gesellschaftlicher Zustände. Genau solche Erfahrungen versuchen wir in der Gruppenarbeit im Zeltlager und in der Kindergruppe zu ermöglichen. Das bedeutet natürlich auch, dass die Gruppe für uns ein wichtiger Ort unserer Präventionsarbeit ist. Besonders hier wollen wir die Widerstandsfähigkeit und Autonomie von Kindern und Jugendlichen fördern und ihre Selbstachtung und ihr Recht auf Selbstbestimmung stärken. Wir setzen auf sachliche Aufklärung statt Angst und beteiligen die Kinder und Jugendlichen in unseren Gruppen im größtmöglichen Maße in allen Entscheidungen unseres Verbandes.

Nicht zuletzt, weil wir um die Mechanismen von Missbrauch und sexualisierter/sexueller Gewalt im Kontext von Jugendverbänden und Jugendgruppen wissen, wissen wir aber auch, dass gerade solche Gruppen, in denen ein enges Verhältnis zwischen Kindern/Jugendlichen

und Erwachsenen herrscht, Orte von Missbrauch und sexualisierter/sexueller Gewalt sein können und sich Täter*Innen gezielt solche Orte suchen. 

Deshalb haben wir folgende Mechanismen zur Prävention und Intervention in unseren Gruppen implementiert:

• gründliche Auswahl und Aus- und Fortbildung von Gruppenhelfer*Innen, alle Helfer*innen sollen mindestens eine Juleica-Schulung absolvieren

• Gruppenhelfer*innen teamen Gruppen nicht alleine. Bei jedem Treffen sind mindestens zwei Gruppenhelfer*innen dabei. 

• das Präventionsteam soll die regelmäßigen F-Ring-Vernetzungen (Helfer*innen-Treffen des KVs für RF- & F-Gruppen) begleiten

• regelmäßige Besuche des Vertrauensteams des Bezirks in allen Kinder- und

Jugendgruppen des Bezirks (mind. 1X im Jahr). Das Vertrauensteam führt während

des Besuchs einen Workshop mit den Kindern/Jugendlichen ohne Anwesenheit der

Gruppenhelfer*Innen durch.

• neue Gruppenhelfer*innen müssen ein aktuelles Führungszeugnis vorlegen, welches vom Präventionsteam eingesehen und dokumentiert wird. Kennen wir die Gruppenhelfer*innen nicht schon aus anderen Kontexten (z.B. SJ-Gruppe), wird ein Gespräch geführt und Gruppenstunden zunächst nur in Begleitung von erfahrenen Helfer*innen durchgeführt. 

• alle Gruppenhelfer*innen legen alle zwei Jahre ein aktuelles Führungszeugnis beim Präventionsteam vor. Dies wird dokumentiert. 

Darüber hinaus arbeiten wir in den Gruppen regelmäßig pädagogisch zu folgenden Themenkomplexen:

• eigene Gefühle erkennen und ausdrücken lernen und eigene Grenzen setzen sowie Gefühle anderer erkennen und deren Grenzen respektieren und achten

• Mein Körper gehört mir

• Nein-Sagen ist erlaubt

• Gute und schlechte Geheimnisse

• gemeinsam Regeln setzen, beachten und kollektiv verhandeln lernen

• Rechte von Kindern

• Demokratiepädagogik und Mitbestimmung

• geschlechtersensible Pädagogik

• Mädchen*- und Jungen*arbeit

• Wie hole ich mir Hilfe?

Aufgaben der*des Jugendbildungsreferent*in

Wir erwarten von unserem*unserer Jugendbildungsreferent*in die Bereitschaft, an Weiterbildungen zum Thema teilzunehmen, z.B. durch die Schulung des Bundesverbands der Falken.

Die/Der Jugendbildungsreferent*in ist im ständigen Austausch mit Kolleg*innen aus den Hilfen zur Erziehung und erarbeitet und pflegt aktuelle Kontakte und Adressen, die zur Beratung hinzugezogen werden können. Sie*Er wird über Fälle informiert und arbeitet ggf. im Präventionsteam des KVs mit. Die*Der Jugendbildungsreferent*in ist zur Abgabe eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses verpflichtet.

Darüber hinaus erwarten wir von allen unseren hauptamtlichen Mitarbeiter*Innen eine persönliche antisexistische Haltung und regelmäßige Fortbildungen im Bereich Prävention von Kindeswohlgefährdung und sexualisierter/sexueller Gewalt. Sie vertreten den Verband in besonderer Weise nach außen und sollen sich dementsprechend politisch und sensibel gegenüber Ehrenamtlichen und in der öffentlichen Außenvertretung verhalten.

Fachberatung

Externe Fachberatung sind ein wichtiger Bestandteil jeglicher Präventions- und Interventionskonzepte bei Kindeswohlgefährdung und sexualisierter/sexueller Gewalt. Sie bieten fundierte Erfahrungen im Umgang mit Kindeswohlgefährdungen und helfen uns so, unsere Beobachtungen und Vermutungen richtig einzuschätzen.

Und sie erlauben es uns einen durch innerverbandliche Strukturen und Anhängigkeiten unverstellten Blick auf mögliche Kindeswohlgefährdungen zu bekommen. Darüber hinaus können betroffene Kinder und Jugendliche und/oder ihre Freund*Innen oder Erziehungsberechtigte sich auch direkt an die Fachstellen wenden. Darüber hinaus stehen sie uns als externe Partner in der Fortbildung und Sensibilisierung von Haupt- und Ehrenamtlichen zur Verfügung. 

Jugendamt, Polizei, Familiengericht

Auch bei Fällen von sexualisierter/sexueller Gewalt wollen wir die betroffenen Kinder und Jugendlichen fachlich begleiten. Dazu gehört auch eine Aufklärung über die Arbeit des Jugendamtes, der Polizei und des Familiengerichtes und die möglichen Auswirkungen einer Meldung beim Jugendamt, etc.

Eine solche Meldung geschieht nur in Rücksprache und in Zusammenarbeit mit einer Fachkraft. Eine solche Meldung wird vom Vertrauensteam gemacht. Aus den auch negativen Erfahrungen, die wir bisher mit der Arbeit des Jugendamtes gemacht haben, wollen wir Konsequenzen für unsere Arbeit mit betroffenen Kindern und Jugendlichen ziehen und ihnen mögliche Konsequenzen darlegen. Den betroffenen Kindern und Jugendlichen sollen die Schritte, die gemacht werden müssen(!) transparent gemacht werden. 

Dazu gehört auch, Helfer*innen über die Arbeit und Vorgehensweise der Behörden aufzuklären und etwaige Konsequenzen einer Meldung für betroffene Kinder und Jugendliche abzuschätzen. Darüber hinaus gilt es auch, Möglichkeiten des Kontakts zu Kindern und Jugendlichen über die Meldung hinaus sicherzustellen. Auch den für Helfer*innen emotional schwierigen Umgang mit Behörden, die von der Arbeitsweise von Jugendverbänden wenig Ahnung haben, nicht immer fachlich ausgebildet sind, häufig von der Vielzahl der zu bearbeitenden Fälle überfordert sind und nicht immer im Interesse von betroffenen Kindern und Jugendlichen handeln, wollen wir durch vorherige Schulung abfedern.

Das Präventionsteam protokolliert auch den Kontakt mit den Behörden und reicht zusammen mit dem Vorstand bei Schwierigkeiten Beschwerde beim zuständigen Jugendamt und dem Jugendring ein. Hierbei richten wir uns nach der Checkliste im Schutzkonzept des Stadtjugendring Bremerhaven e.V.

B. Prävention – Bezugsgruppe Multiplikator*Innen

Gruppenhelfer*innen

Prävention heißt Verantwortung zu übernehmen. Die Verantwortung dafür, ob sexualisierte/sexuelle Gewalt stattfindet oder ob sie verhindert wird, liegt nicht bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen. Es liegt in unserer Verantwortung als Erwachsene, sie zu stärken, zu schützen, sie ernstzunehmen und ihnen zu glauben.

Das Wissen um sexuelle Gewalt (Definition, Zahlen, Fakten) ist grundlegende Voraussetzung, um Kinder und Jugendliche Unterstützung anbieten zu können und um Sicherheit im Umgang mit dieser Problematik zu erlangen. Daraus ergeben sich Folgerungen für das Verhalten der Gruppenhelfer*innen sowie Interventionsmöglichkeiten bei alltäglichen Grenzverletzungen. Dieses Wissen stärkt die eigene Sicherheit im Umgang mit Verdachtsfällen und aktuellen Krisensituationen und gibt emotionale Sicherheit im Umgang mit den Betroffenen.

Jede*r Gruppenhelfer*in und alle ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen, die in Kontakt mit unseren Kindern und Jugendlichen stehen haben einen Grundausbildung zum Thema „Kindeswohl“, die verpflichtend Teil der Juleica-Schulung ist und z.B. auf den Vorbereitungswochenenden größerer Maßnahmen wie Zeltlager zu Teilen wiederholt und aufgefrischt wird. 

Dabei beschäftigen wir uns mit den Themen:

• Was ist Kindeswohl?

• Was gefährdet das Kindeswohl?

• Welche Anzeichen deuten auf Kindeswohlgefährdung?

• Arten der Kindeswohlgefährdung

• Handlungsanweisung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung

Haltung gegenüber Kindern und Jugendlichen

Präventionsarbeit lässt sich nicht auf Verhaltensregeln reduzieren. Vielmehr bedeutet sie eine kontinuierliche Erziehungshaltung. Das Hauptanliegen von Präventionsarbeit ist es, die Widerstandsfähigkeit und Autonomie von Mädchen und Jungen zu fördern sowie ihre Selbstachtung und ihr Recht auf Selbstbestimmung zu stärken. Es ist wichtig, dass wir Erwachsene sie darin bestärken, ihre Gefühle ernst zu nehmen und auszudrücken. Denn Gefühle sind Signale und bieten Orientierung. Der inneren Stimme zu vertrauen heißt Zutrauen zu sich selbst zu haben und handlungsfähig zu sein. Mädchen und Jungen, deren Rechte und Grenzen von uns Erwachsenen im Alltag akzeptiert werden, haben weniger Ängste und sind selbstbewusster.

Dies kann nur gelingen, wenn wir als Erwachsene Mädchen und Jungen grundsätzlich mit einer solchen Erziehungshaltung begegnen. Wirkung können wir nur erzielen, wenn wir Kindern unsere Haltung glaubhaft vermitteln können, d. h. wenn diese Grundsätze im Alltag auch wirklich gelten. Kinder nehmen uns beim Wort. Sie überprüfen kritisch, ob das, was wir ihnen vermitteln, nur Worthülsen sind oder ob wir mit unserer ganzen Person dahinter stehen. Im Alltag heißt das, Kinder zu unbequemen Kindern zu erziehen. Kinder, die mit einem Gefühl für ihre Rechte und Grenzen aufwachsen, deren Nein akzeptiert wird, auch von Erwachsenen, sind selbstbewusster und handlungsfähiger und haben größere Chancen, sich Hilfe zu holen, wenn sie allein nicht mehr weiter wissen. Für uns als Erwachsene ist es eine echte Herausforderung, denn unbequeme Kinder bedeuten eine ziemliche Anstrengung.

Nicht umsonst richtet sich Präventionsarbeit deshalb auch an Erwachsene, denn als Erwachsene haben wir eine wichtige Vorbildfunktion. Das heißt, dass wir als erstes uns selbst fragen müssen, nach unserem Verhalten, unseren Vorstellungen, nach unserem eigenen Selbstbestimmungsrecht. Nehmen wir uns selbst ernst? Sind wird in der Lage, klare Grenzen zu setzen, Gefühle zuzulassen, uns anderen mitzuteilen und Hilfe anzunehmen? Leben wir das, was wir Kindern vermitteln wollen? Sicherlich können wir das nicht für jede Situation in unserem Leben bejahen, aber um Perfektion soll es auch nicht gehen. Wenn wir Erwachsene auf dem Weg sind zu leben, an was wir glauben, dann ist das die beste Grundlage, Mädchen und Jungen diese Haltungen überzeugend zu vermitteln.

Aus- und Fortbildung zur Gruppenhelfer*in (JuLeiCa)

In allen größeren Projekten verpflichten wir alle Ehrenamtlichen, die mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten wollen, eine Schulung zur Gruppenhelfer*in zu absolvieren bzw. zu wiederholen. Dabei unterscheiden wir nicht, ob die Personen Kinder und Jugendliche betreuen, ob sie in der Küche arbeiten oder ausschließlich Fahrdienste machen, da alle Beteiligten Kontakt zu Kindern haben. 

Darüber hinaus gibt es weiterführende Bildungsangebote wie Kurzworkshops und Schulungsmaterialien und Literatur in unserem Büro, die von Gruppenhelfer*innen und anderen interessierten Ehrenamtlichen ausgeliehen und eingesehen werden können.

Auswahl der Gruppenhelfer*Innen

Die Auswahl unserer Gruppenhelfer*innen geschieht über ein sehr intensives Kennenlernen. Wir gewinnen potentielle neue Gruppenhelfer*innen über Einsteiger*innentreffen, Bildungsseminare, Vorträge, offene Angebote, durch unsere Gruppenarbeit oder durch direkte Anfrage von Freund*Innen. Personen, die Interesse an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in unserem Verband haben, sollen zunächst die Arbeit und die Grundlagen des Verbandes kennen lernen und wir sollen Zeit haben, sie kennen zu lernen, damit wir ihre Eignung als Gruppenhelfer*innen einschätzen können.

Dies geschieht durch aktive Mitarbeit in den jeweiligen SJ-Gruppen der Orts- und Kreisverbände.

Die Voraussetzung, um bei uns als Gruppenhelfer*in mit Kinder- und Jugendgruppen zu arbeiten, ist die Teilnahme an einer  Juleica-Schulung. Im Rahmen dieser Fortbildung beschäftigen wir uns intensiv mit dem Themenkomplex Kindeswohlgefährdung und Prävention. Darüber hinaus gewinnen wir hier einen allgemeinen Eindruck über die Fähigkeit der Einzelnen, verantwortungsvoll mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten.

Unsere Jugendbildungsreferent*in nimmt dann zusammen mit den an der Gruppenhelfer*innenausbildung beteiligten Ehrenamtlichen eine abschließende Einschätzung der angehenden Gruppenhelfer*innen vor.

Für die Mitarbeit an unserem Kinder- und Jugendzeltlager und unsere anderen Fahrten ist eine Juleica verpflichtend. Für unser Kinder- und Jugendzeltlager verpflichten wir alle Helfer*innen einmal jährlich eine Auffrischung zum Thema Kindeswohlgefährdung zu machen. Dies geschieht während der Pflicht-Vorbereitungsseminare. Es müssen mindestens 2/3 der Zeit besucht werden. Kindeswohl- und Prävention sind dabei verpflichtende Themen. Nachholtermine können angeboten werden.  Während unseres Zeltlagers gibt es ein Vertrauensteam vor Ort.

Führungszeugnisse

Als freier Träger der Jugendhilfe ist unser Verband verpflichtet, von unseren ehrenamtlichen Helfer*innen bei bestimmten Tätigkeiten im Verband Führungszeugnisse einzusehen. Dies soll den Ausschluss einschlägig Vorbestrafter von Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe sicherstellen. Entscheidend für die Einsicht in ein solches Führungszeugnis ist die Art, Dauer und Intensität des Kontaktes zu Kindern und Jugendlichen. 

Deshalb haben wir als Verband beschlossen, Führungszeugnisse bei folgenden Tätigkeiten im Verband einzusehen:

• Gruppenhelfer*innen

• jegliche Funktionen bei Übernachtungsaktionen mit Kindern (z.B. Küche, Einkauf)

• Vorstandstätigkeit

• Seminarleitung bei mehrtägigen Seminaren

• Bundesfreiwilligendienstleistende

• Hauptamt

• studentische Praktikant*innen

Auch Helfer*innen, die spontan einspringen könnten, sollen pro forma ein Führungszeugnis vorlegen. Sollte dies nicht rechtzeitig möglich sein, kann eine Selbstverpflichtung, z.B. aus dem Schutzkonzept des Stadtjugendring Bremerhaven e.V. kurzfristig den Zeitraum überbrücken, bis das Führungszeugnis vorliegt. Darüber entscheidet das Präventionsteam. 

Einsicht in die Führungszeugnisse nimmt das Präventionsteam oder das Büro des Kreisverbands. Einsichtnahme bedeutet dabei, dass sich das Vertrauensteam das Führungszeugnis vorlegen lässt und Name und Geburtsdatum, die Einsichtnahme, das Ausstellungsdatum des Führungszeugnisses und die fehlenden Einträge dokumentiert. Dieses Prozedere wiederholen wir alle zwei Jahre.

Verhaltenskodex

Alle Helfer*innen sollen den Verhaltenskodex/die Selbstverpflichtung des Stadtjugendring Bremerhaven e.V. unterzeichnen. 

So schützen wir uns als Helfer*innen:

• Grundregel: Sexuelle Gewalt geht gar nicht !!!

• 1:1 Situation vermeiden

• Keine Beziehungen mit TN, die sex. Handlungen beinhalten

• Sensibilität für Themen & Handlungen, die unangenehm sein könnten

-> bei Unsicherheit nachfragen

• Lieber einen Verdacht mehr nachgehen, als einen Ignorieren

• Wenn wir uns unsicher sind, holen wir uns Hilfe

• Wir äußern eigene Grenzen / zeigen Grenzüberschreitungen auf

• Wir respektieren die Grenzen Anderer

• Wir versuchen keinen Vorschub zu leisten

• Wir bringen kein pornografisches Material mit ins Camp

• Wir haben Kondome. Wir teilen den TN mit, wo sie diese finden … drücken es aber nicht den Kindern in die Hand und wünschen viel Spaß

So schützen wir unsere Teilnehmenden:

• Regeln werden mit TN thematisiert

• Nein heißt nein … auch nonverbald

• Schweigen ist keine Zustimmung

• Beziehungen + Sex zwischen TN und Helfer*innen ist Tabu

• Helfer*innen schlafen nicht mit TN in einem Raum. Es kann unter Umständen Ausnahmen geben, aber nur wenn es nicht anders geht und niemals (!!) alleine

• Es gibt keine dauerhafte 1:1 Situation

• Den TN sind die Ansprechpersonen bekannt

• Kinder / Jugendliche bestimmen selbst ihre Grenzen

• Betroffene bestimmen selbst die Konsequenzen. Bei Konsequenzen geht es um den Schutzraum. 

• Kinder können sich selbst waschen und duschen

• Den Kindern steht die Mädchen*- und Jungen*arbeit zur Verfügung

• Wir bieten einen Raum, um das eigene Verhalten zu reflektieren und zu hinterfragen

• Wir haben Ansprechpersonen, um zum Thema „Persönliche Grenzen“ pädagogisch zu arbeiten

• Keine Drogen (Alkohol, Tabak..) vor Kindern

• Das Präventionsteam stellt sich bei den Teilnehmer*innen vor und erklärt, für was sie zuständig sind

C. Schutz der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen

Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten 

Den besten Schutz sehen wir in einer sachlichen Aufklärung und dem Respekt von Kindern als eigenständige Persönlichkeiten. Wir sind der festen Überzeugung, dass Kinder ihre Gefühle deutlich zum Ausdruck bringen, wenn sie von klein auf in ihren Gefühlen respektiert wurden.

Wir nehmen Kinder ernst, wenn es darum geht, dass sie satt sind, dass sie müde sind oder dass ihnen die Schürfwunde wehtut. Durch solche scheinbaren Banalitäten entwickelt sich nicht das Gefühl „Die Erwachsen wissen grundsätzlich besser als ich, was gut für mich ist“, das nach unserem Verständnis der perfekte Nährboden für Übergriffe ist. Gleichzeitig vermitteln wir den Kindern und Jugendlichen in unserer Vorbildfunktion, dass auch wir Grenzen haben und „Nein“ sagen: Wir sind nicht 24-Stunden-Helfer*innen, wir möchten nicht diskriminiert werden, nicht immer umarmt werden, wir haben körperliche Grenzen und brauchen auch mal eine Pause.

Partizipation und Auflösung von Machtstrukturen

Die Kinder und Jugendlichen werden im größtmöglichen Maß in allen Fragen und Entscheidungen des Verbandes eingebunden. Die Kinder und Jugendlichen werden genauso gehört und ihre Einwände werden genauso ernst genommen wie die der Erwachsenen. Kinder und Jugendliche fühlen sich dadurch durch uns ernst genommen und schätzen uns als wichtige Vertrauenspersonen.

Wen man sexuelle Gewalt definiert, geht es immer um eine Bedürfnisbefriedigung, die die/ der Täter*in dadurch erhält, dass sie*er ihre*seine Machtposition gegenüber den Kindern und Jugendlichen und deren Abhängigkeit ausnutzt und ihre Grenzen überschreitet. Dabei handelt es sich um eine bewusst geplante, meist gut vorbereitete Tat. Die sexuelle Instrumentalisierung eines Kindes oder Jugendlichen wird oft mittels Drohungen durchgesetzt und von einem Geheimhaltungsgebot begleitet. Die meisten Täter sind Männer aus dem direkten Nahumfeld der Kinder und Jugendlichen. In unserem Verband gibt es niedrige Machtstrukturen. Kinder sind gleichberechtigte

Gruppenmitglieder gegenüber Helfer*innen.

Jugendleiter*innen bei den Falken nennen sich selber Helfer*innen, um zu verdeutlichen, dass sie da sind, um die Kinder und Jugendlichen bei der Selbstorganisation zu unterstützen und nicht nur ein Programm anbieten, das konsumiert werden kann.

Dieses Selbstverständnis verpflichtet uns auch als Helfer*innenteam die Entscheidungen von Helfer*innen kritisch zu begleiten und eigene Fehler und Fehlverhalten zu reflektieren und zu korrigieren. Wir versuchen als Helfer*innen und als Team unsere Entscheidungen und Handlungen den Kindern und Jugendlichen durchsichtig zu machen und stellen sie damit auf den gemeinsamen Prüfstand.

Sachliche Aufklärung statt Angst

Wir sehen es als unsere Aufgabe, mit Kindern und Jugendlichen über sexuelle Gewalt zu sprechen. Dabei verfallen wir nicht in Aussagen wie. „Steig nicht in fremde Autos ein!“ oder „Geh nicht mit Menschen mit, die du nicht kennst!“ Diese Aussagen führen lediglich zu Verängstigung und zur Verstärkung der Abhängigkeit von Betreuungspersonen – wiederum ein Nährböden für sexuelle Übergriffe, denn fehlinformierte, unsichere und abhängige Kinder sind ideale Opfer. Prävention soll Kinder in die Lage versetzen, sexuelle Übergriffe zu erkennen, sich gegen sie wehren und sich damit selbst schützen zu können.

Beschwerdesystem

Kinder und Jugendliche in unserem Verband haben verschiedene Möglichkeiten sich zu beschweren.

Im Rahmen der regelmäßigen Gruppen- und Verbandsarbeit haben wir folgende Beschwerdemöglichkeiten:

• Zu den Gruppenhelfer*Innen gehen

• in der Gruppenstunde ansprechen (z.B. in der obligatorischen Reflexions- und Abschlussrunde)

• in der Gruppe ansprechen

• den Vorstand einschalten

• unsere*n Jugendbildungsreferent*in ansprechen

• das Vertrauensteam ansprechen

• zu Freund*innen und Geschwistern gehen

• „Nein heißt Nein“-Regel anwenden

• externe Fachkräfte ansprechen

Im Rahmen unserer Zeltlager haben Kinder und Jugendliche folgende Möglichkeiten, Probleme anzusprechen:

• Zu den Gruppenhelfer*Innen gehen

• das Vertrauensteam ansprechen

• „Nein heißt Nein“-Regel anwenden

• in der Gruppenzeit oder der Sternstunde ansprechen

• die tägliche Vollversammlung

• zu Freund*innen und Geschwistern gehen

• unsere*n Jugendbildungsreferent*in ansprechen

• andere Helfer*innen ansprechen

• einen Brief an unseren Zeltlagerbriefkasten schreiben

Umgang mit Täter*innenschaft

Gerade lang anhaltende Gewalt hat schwere Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit der Betroffenen. Selbstvertrauen und positives Lebensgefühl werden zerstört, oftmals sind der Verlust oder die Einschränkung der Bindungsfähigkeiten, Depressionen, bis hin zum Selbstmord die Folgen. Die Tiefe der Verletzung, die ein Mensch erfährt, ist jedoch manchmal völlig unabhängig vom Ausmaß körperlicher und psychischer Gewalt, da hier unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen und daher letztendlich nur von den Betroffenen selbst – festzulegen ist!

Wir müssen verschiedene Fälle von sexualisierter/sexueller Gewalt unterscheiden und jeweils anders damit umgehen:

  • Wenn Kinder untereinander Grenzen überschreiten, kommt es uns auf einen pädagogischen Prozess an.
  • sexualisierte/sexuelle Gewalt, die von Helfer*innen ausgeht, wollen wir in jedem Fall verhindern und wird nicht akzeptiert
  • Wenn Erwachsene die Grenzen von Erwachsenen verletzen, greifen wir ein und sind parteilich mit den betroffenen Menschen. 
  • Wir sind aufmerksam bezüglich Anzeichen von sexualisierter/sexueller Gewalt im häuslichen Umfeld und unterstützen ggf. die Betroffenen.

Sexualisierte/sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen

Wir nehmen wahr, dass aufgrund mangelnder Aufklärung sexuelle Gewalt unter Jugendlichen nicht als solche wahrgenommen wird und dass es selten zur Anzeige kommt. Bei sexueller Gewalt unter Kindern und Jugendlichen setzen wir deutliche Grenzen. Handlungen werden von uns unterbunden, der Schutz der betroffenen Kinder und Jugendlichen steht für uns im Mittelpunkt unseres Handelns. Zuvorderst steht die Schaffung von Schutzraum für betroffene Kinder und Jugendliche. Dann kann sich, abhängig von der Fallbewertung des Präventionsteams, eine intensive pädagogische Arbeit mit übergriffigen Kindern und Jugendlichen anschließen.

Durch die gezielte Intervention und die Setzung von Grenzen für die übergriffigen Kinder und Jugendlichen wollen wir auch eine entsprechende Sozialisation verhindern.

Sexualisierte/sexuelle Gewalt als Handlungsoption für die eigene Bedürfnisbefriedigung wird in einem längeren Prozess eingeübt, in dem patriarchale Rollenbilder, fehlende Sanktionen und die kontinuierliche Einübung in Formen und Mittel des Machtmissbrauchs und des systematischen Missbrauchs gelernt werden. Erwachsene, die Kinder und Jugendliche sexuell missbrauchen, haben häufig eine lange Geschichte der schrittweisen Einübung in sexualisierte/sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Hier auch schon bei Vorstufen von sexueller Gewalt Grenzen zu setzen, ist eine wirksame Form der Präventionsarbeit.

Darüber hinaus wollen wir übergriffigen Kindern und Jugendlichen andere Handlungsoptionen vermitteln und ihnen deutlich machen, dass übergriffiges Verhalten von uns nicht toleriert wird. Dies kann, je nach Notwendigkeit, die Schaffung von pädagogischen Angeboten, in denen sich Kinder und Jugendliche mit dem eigenen grenzverletzenden Verhalten auseinandersetzen können, beinhalten. Darüber hinaus halten wir uns offen, übergriffige Kinder und Jugendliche an entsprechende Beratungsstellen zu verweisen. Die Fälle werden von uns (anonymisiert) dokumentiert, wenn es das Präventionsteam für sinnvoll hält. 

Sexualisierte/sexuelle Gewalt von Helfer*Innen gegenüber Teilnehmenden

Wer gegen den Verhaltenskodex verstößt, wird sofort aus der pädagogischen und verbandlichen Arbeit ausgeschlossen, jeglicher Kontakt wird unterbunden. Weitere Schritte werden eingeleitet. Auch hier halten wir uns offen, an entsprechende Beratungsstellen zu verweisen. Die Fälle werden von uns (anonymisiert) dokumentiert, wenn es das Präventionsteam für sinnvoll hält. 

Übergriffigkeiten und sexualisierte/sexuelle Gewalt unter Erwachsenen im Falken-Kontext

In regelmäßigen Abstand thematisieren wir sexualisierte/sexuelle und sexistische Grenzverletzungen, um diese einzudämmen. Das Präventionsteam gibt Einschätzungen darüber, wann eine Thematisierung notwendig ist. Auch den Erwachsenen steht das Vertrauensteam des Bezirks bei Übergriffigkeiten, sexualisierter/sexueller Gewalt und sexistischen Grenzverletzungen zur Seite. Auch auf unseren größeren Maßnahmen für (junge) Erwachsene haben wir ein entsprechendes Team vor Ort. Uneinsichtige werden wir aus der pädagogischen und verbandlichen Arbeit ausschließen. Erwachsene, die Grenzverletzungen begehen, können abhängig von der Fallbewertung des Präventionsteams aus der pädagogischen und verbandlichen Arbeit ausgeschlossen werden. 

Unterstützung durch Mädchenarbeit und Jungenarbeit

Mädchenarbeit und Jungenarbeit finden in geschlechtshomogenen Settings statt. In verschiedenen Angeboten und Workshops für drei Altersstufen werden folgende Themen angesprochen, die hilfreich bei der Thematisierung von sexualisierter/sexueller Gewalt sind:

• Meine Gefühle sind richtig und wichtig

• Mein Körper gehört mir

• Nein-Sagen ist erlaubt

• Gute und schlechte Geheimnisse

• Typisch Mädchen – typisch Junge

• Wie hole ich mir Hilfe?

Mädchenarbeit

Mädchenarbeit versteht sich als pädagogischer und politischer Reformansatz, dessen zentrales Anliegen der Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligung und die Förderung der Chancengleichheit von Mädchen ist. Die Mädchenarbeit ergreift bewusst Partei für Mädchen und versucht Mädchen gezielt zu fördern, um bisherige Benachteiligungen zu korrigieren und weitere aufzufangen bzw. zu vermeiden.

Ein zentrales Handlungsziel der Mädchenarbeit, ist der Angebot eines größtmöglichen Freiraum von sexualisierter/sexueller Gewalt. Mädchen sind erheblich häufiger sexueller Gewalt ausgesetzt als Jungen. Die sexuelle Gewalt trifft Mädchen und Frauen unmittelbar in ihre sexuelle Identität, erniedrigt und verletzt sie in intimsten und zutiefst persönlichen Bereichen. Das Erleben sexueller Gewalt führt zu grundlegender Verunsicherung und Ängsten, zu Schuldgefühlen, Selbstablehnung und auffälligen Verhalten.

Mädchen werden in unserer Gesellschaft durch frühe sexuelle Gewalt in Lebenswege gezwungen, die sie für Männer verfügbar halten sollen. Und sexuelle Gewalt ist leider kein Randphänomen in unserer Gesellschaft und gehört damit als vermeintliche oder erlebte Bedrohung zur Lebensrealität von Mädchen.

Durch Mädchen- und Frauenräume, die für Jungen und Männer nicht betreten werden dürfen, schaffen wir einen Rückzugsraum. Zudem thematisieren wir mit Mädchen und Jungen das Thema sexualisierte/sexuelle Gewalt. Dabei geht es nicht nur darum, sexualisierte/sexuelle Gewalt als etwas zu betrachten, was in der Außenwelt passiert, sondern auch Bestandteil der Verbands- bzw. Gruppenarbeit ist.

Jungenarbeit

Jungenarbeit setzt an den Problemen an, die Jungen machen und die Jungen haben. Sie eröffnet Jungen neue Räume zur eigenen Entwicklung. Jungen werden dabei in ihrer besonderen Individualität mit ihren Stärken und Schwächen, Defiziten und Kompetenzen wahrgenommen, unterstützt und begrenzt sowie als entwicklungsfähige Persönlichkeiten wertgeschätzt.

Handlungsziel 1: Wir unterstützen Jungen emotionale Lebendigkeit zu entwickeln.

Für Jungen ist es oft schwierig, Gefühle zu benennen und diese zu kommunizieren. Es wird oft als etwas Befremdliches wahrgenommen, auch weil „über Gefühle reden“ eher von Mädchen erwartet wird als von Jungen.

Für das Wohlbefinden und eine stabile Persönlichkeitsentwicklung ist es jedoch positiv und wichtig sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Daher unterstützen wir Jungen darin, ihre Gefühle wahrzunehmen, diese zu benennen und diese auch auszudrücken lernen. Das geschieht einerseits durch verschiedene Methoden, bei denen Jungen lernen sollen, wie viele differenzierte Gefühle es überhaupt gibt und diese z. B. pantomimisch darzustellen. Dadurch erweitert sich das Wissen zu Emotionen und die Hemmschwelle, eigene Gefühle zu benennen, verringert sich.

In Auswertungsrunden auf der Gefühlsebene lernen Jungen* dann ihre eigenen Emotionen wahrzunehmen, zu benennen und diese auch nach außen zu kommunizieren. Dadurch haben sie die Möglichkeit ihre eigene Gefühlswelt besser kennenzulernen und außerdem offen darüber zu reden.

Handlungsziel 2: Wir fördern die Körperwahrnehmung bei Jungen.

In einem traditionellen Männlichkeitsbild dient der Körper mehr einer Funktion, nämlich als Gebrauchsgegenstand, der benutzt wird und auf den weniger Rücksicht genommen werden muss. So ist es für viele Jungen und später auch Männer normal, weniger auf ihre körperliche Unversehrtheit bedacht zu sein, denn „als Mann kann man ja was aushalten“. So ist es schwierig sich Grenzen der körperlichen Fähigkeiten einzugestehen, denn dann würde man Schwäche zulassen, was nicht mit etwas Männlichem verbunden wird.

Da der menschliche Körper allerdings unabhängig vom Geschlecht seine Stärken und Schwächen hat, ist es für uns wichtig mit Jungen* darüber zu sprechen. Das Ziel dabei soll sein, Jungen* bewusst zu machen, dass es erst einmal wichtig ist die Grenzen des eigenen Körpers wahrzunehmen und zuzugeben, dass der eigene Körper seine Grenzen und Schwächen hat nichts Unmännliches ist, sondern zu einem gesunden Körperumgang dazugehört. Daneben soll kritisch hinterfragt werden, ob zum Junge-Sein dazugehört immer stark zu sein, sich in gefährliche Situation zu begeben, um den “Helden” zu spielen und den Körper zu belasten oder ob es nicht auch Teil des Junge-Seins bedeutet kann, sich zurückzunehmen und auf seinen Körper mit dessen Stärken, Schwächen und Grenzen zu achten. Damit sollen Jungen* befähigt werden sich bewusst mit ihrem Körper zu beschäftigen und dabei ihr Junge-Sein in Bezug auf ihren Körper kritisch zu reflektieren.

Handlungsziel 3: Bewusst machen und Achtung eigener und fremder Grenzen.

Die Wahrnehmung von eigenen und fremden Körpergrenzen und diese richtig einzuschätzen fällt vielen Jungen* häufig schwer. Das geht oft einher mit einem schwach ausgeprägtem Einschätzungsvermögen eigener Gefühle.

Beispielsweise fällt es Jungen* oft schwer ein Unwohlsein bei zu nahem Abstand zu einer anderen Person auch als solches wahrzunehmen. Meistens übergehen sie dieses Gefühl dann, ohne zu wissen, warum sie sich so fühlen. Oder sie übertreten ihre persönliche Grenze des Wohlbefindens zu einer anderen Person absichtlich, denn es passt schließlich nicht in das Bild eines Jungen oder Mannes, dass dieser sich zurücknimmt und sich nicht ohne Rücksicht auf Körper und Wahrnehmung in Situationen begibt, die ihm eigentlich Unbehagen bereiten.

Dadurch kommt es dazu, dass Jungen öfter persönliche Grenzen ihres eigen Wohlbefindens, aber auch Grenzen von anderen Personen übertreten, vielleicht ohne sich ihres Handelns bewusst zu sein.

Ein wichtiger Punkt bei der Arbeit mit Jungen ist daher das bewusst machen und reflektieren eigener und fremder Grenzen. Eigene Grenzen in Bezug auf das Wohlbefinden des eigenen Körpers und fremde Grenzen vor allem mit Blick auf Empathieentwicklung und der Wahrnehmung von Grenzüberschreitungen bei anderen Menschen. Vor allem bei Mädchen* und Frauen* geht es darum auszuhandeln wo die persönliche Grenze der Annäherung und des Abstandes gezogen wird. Dabei ist es wichtig, auch gemeinsam mit Mädchen*, zu diskutieren, wo Grenzen anfangen; ob es sich auf Körpernähe beschränkt, ob das Anfassen einer anderen Person eine Grenze überschreitet und es einen Unterschied macht ob man die Schulter oder den Hintern anfasst oder ob auch beides unangenehm sein kann. Auch ein beleidigender sexistischer,diskriminierender Sprachgebrauch kann Grenzen von anderen Menschen übertreten.

Um Jungen* ein Bewusstsein dafür zu geben, was Grenzen sein können, wie man diese bei sich oder bei anderen erkennt und darauf Rücksicht nehmen kann, bieten wir für Jungen* in der Gruppenarbeit und auf unseren Zeltlagern Workshops an. In denen spielen sie selbst Übungen durch in denen sie ihre eigenen Grenzen gegenüber anderen setzen sollen und damit ein Verständnis für ihre Gefühle und Wahrnehmung bekommen. Sie lernen auch Grenzen gegenseitig auszuhandeln, wodurch ihnen bewusst gemacht werden soll, dass Grenzen nicht nur von einem selbst abhängen, sondern ein sehr individueller Prozess ist, welcher mit anderen Menschen oder anderen Situationen immer wieder neu ausgehandelt werden muss und es auch richtig und ihr Recht ist, zu sagen, wann eine Grenze für sie übertreten wird und diese dadurch einfordern lernen.