Festung Europa | Diskussionsveranstaltung mit bewegendem Erfahrungsbericht

Bericht der Diskussionsveranstaltung “Festung Europa” im Rahmen der Europawoche

Am 4. Mai fand um 19 Uhr unsere Diskussionsveranstaltung zum europäischen Grenzregime statt. Moderiert wurde die Veranstaltung von einem unserer ehrenamtlichen Aktiven, der zunächst erwähnte, dass die Veranstaltung vom Bremerhavener Jugendforum und vom Bundesprogramm Demokratie leben gefördert wird.  Er machte auch klar, dass dieser Diskussionsabend als kritischer Beitrag zur Europawoche Bremen/Bremerhaven verstanden werden kann, da diese ansonsten häufig von unpolitischen Kulturveranstaltungen geprägt wird. Das diesjährige Motto der Europawoche lautet “Europa aus allen Himmelsrichtungen”. Auch wir haben uns dies zu Herzen genommen und wollten diejenigen Menschen zu Wort kommen lassen, die Europa von außen und an seinen Grenzen kennenlernen mussten – also aus einer anderen Richtung kennen als die meisten, die hier aufgewachsen sind. Daher haben wir den aus Syrien Geflüchteten Bremerhavener Djawar Mohammad und den Referenten für politische Flüchtlinge von Amnesty International Weser-Ems eingeladen.

Die gut besuchte Veranstaltung begann zunächst mit einem bewegenden Bericht von Djawar Mohammad, der teilweise seine bereits erlernten Deutschkenntnisse präsentierte. Erlebnisse, die er auf deutsch noch nicht so gut schildern konnte, beschrieb er auf arabisch. Für das primär deutschsprachig geprägte Publikum gab es jedoch auch eine Übersetzung, die ein Genosse vom Dialog – Verein für gleiche Rechte übernahm.

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Fluchtgründe

Djawar Mohammad begann seinen Bericht mit der Feststellung, dass er bereits seit einem Jahr in Bremerhaven lebt und hauptsächlich damit beschäftigt ist, die deutsche Sprache zu erlernen. Er ging dann zunächst auf die Gründe ein, die ihn dazu zwangen, sein Studium abzubrechen und in die Türkei zu flüchten. Der Auslöser dafür war die stetig gefährlicher werdende Situation in Syrien, wo die verschiedenen Kriegsparteien vor allem junge Syrer für ihren Kampf rekrutieren wollten. Das konnte zum Beispiel die Armee des Assad-Regimes, aber auch der Islamische Staat sein. Deshalb entschloss sich Djawar Mohammad, wie viele andere Menschen, mit seiner Familie in Richtung Türkei aufzubrechen.

Ankunft in der Türkei

In der Türkei angekommen musste die Gruppe allerdings schnell feststellen, dass das Leben nicht erst einmal nicht einfacher wird. Die meisten Geflüchteten wurden mehrere Tage festgehalten, andere suchten sich Arbeit, wurden dafür aber kaum bis gar nicht bezahlt. Schnell war für die meisten klar, dass sie ihr gesamtes angespartes Vermögen für den weiteren Weg nach Europa ausgeben mussten. Also begaben sie sich abermals in die Hände von Schleusern, die aus dem Leid der Menschen Profit schlagen und diese aufgrund fehlender Ortskenntnis einfach an irgendwelchen verlorenen Orten aussetzten.

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Ankunft in Bulgarien

Nach mehreren Wochen auf der Flucht erreichte Djawar Mohammad schließlich Bulgarien. Dort wurde ihm von Beginn an vorgeworfen, die Grenze illegal übertreten zu haben, so dass er festgenommen und für mehrere Monate eingesperrt wurde. “In dem bulgarischen Gefängnis waren Geflüchtete, Kinder und Familien gemeinsam untergebracht mit bulgarischen Schwerverbrechern, Vergewaltigern und Mördern”, so beschrieb er die Situation. Auch das Essen war so furchtbar, dass es noch nicht einmal Tiere gegessen hätten. Die Bedingungen waren letztlich so menschenunwürdig, dass sich Djawar Mohammad und die anderen Flüchtenden sogar schon wieder nach Syrien zurücksehnten.

Nach sechs Monaten wurde er dann doch freigelassen, musste jedoch ein Papier unterschreiben, in dem er bestätigte, dass er in Bulgarien Asyl beantragen wird. Dies bedeutete für ihn, dass er zum Beispiel keinen Antrag in Deutschland stellen durfte. Da sich aber schnell zeigte, dass das Leben in bulgarischen Flüchtlingslagern kaum zu ertragen ist und zu dem durch faschistische Schlägertrupps zur Hölle gemacht wurde, sah er keine Alternative zu einer Flucht nach Deutschland. Dort lebt er heute und darf nach längeren rechtlichen Auseinandersetzungen nun auch bleiben, da er nachweisen konnte, dass ein Leben in Bulgarien für ihn nicht zumutbar gewesen wäre.

Asylrechtsverschärfungen und EU-Türkei-Deal

An diesen bewegenden Bericht knüpfte dann Thomas Barke von Amnesty International an. Er ging vor allem auf die Asylrechtsverschärfungen der letzten Wochen und den EU-Türkei-Deal ein, die heute eine Flucht für Menschen, wie Djawar Mohammad, nahezu unmöglich macht. Der Deal mit der Türkei bedeutet faktisch die Rückweisung aller Menschen, die ohne vorige Genehmigung in die EU eingereist sind – dies betrifft nahezu alle Menschen aus dem Nahen Osten. Dass in den meisten Gebieten Krieg herrscht, für Flüchtlinge schlechte Bedingungen und inzwischen viele Syrer*innen an den türkisch-syrischen Grenze zurückgehalten werden, scheint europäische Politiker*innen nicht mehr zu interessieren. Thomas Barke ging auch noch einmal auf die beiden kürzlich verabschiedeten Asylpakete der Bundesregierung ein, wonach viele Staaten nun als angeblich sicher eingestuft werden. Ob die Staaten für die Flüchtenden, wie z.B. Roma in den Balkanländern tatsächlich sicher sind, ist dabei nicht mehr relevant. Schließlich geht es Deutschland, Österreich und anderen EU-Staaten inzwischen nur noch darum so viele Flüchtlinge wie möglich fernzuhalten, sie am besten gar nicht erst über die türkische Grenze gelangen zu lassen.

Gegen Ausgrenzung und Abschiebung

Die Veranstaltung bestätigte unsere Position, dass geschlossene Grenzen und Abschiebungen keine Option sind. Egal wie viele Menschen sich auf die Flucht begeben – Abschiebungen und Ausgrenzungen bedeuten Leid und Tod. Wer sich Menschenrechte auf die Fahnen schreibt, der kann das aber nicht zulassen und muss alles dafür tun, die Menschen dort in Sicherheit zu bringen und ihnen dort eine Perspektive zu bieten, wo diese für sich selbst eine Zukunft sehen.

Wir bedanken uns bei den Referenten und allen Gästen für das Kommen.

 

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